Alte Sprachen lohnen sich doch
von Annette Leyssner
Wird die nächste Generation der Deutschen noch wissen, wer Cicero war? Wird sie mit dem Namen Homer etwas anderes verbinden als den Vater in der US-Zeichentrickserie „Die Simpsons“? Der durchschnittliche Bundesbürger ist mit seinem Latein schnell am Ende, konstatiert der Altphilologe Bernhard Zimmermann von der Universität Freiburg.
Sinkende Schülerzahlen für Latein- und Altgriechisch haben die Altphilologen in die Defensive getrieben. Warum sollte man heutzutage überhaupt tote Sprachen lernen? Wenn man sie nicht nutzen kann, um mit anderen Menschen zu kommunizieren – was bringt das Studium? Wäre es nicht sinnvoller, sich mit Blick auf Karrierechancen auf Englisch oder Chinesisch zu konzentrieren? Michael Oberhaus ist Latein- und Altgriechischlehrer an einem Gymnasium in Berlin. Er erteilt eine Absage an den Druck der Ökonomie, unter dem heute viele Schulentscheidungen stünden. „Bildung dient nicht zur Ausbildung von Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt, sondern vor allem zur Schulung des Charakters.“ Dabei liefere auch der Arbeitsmarkt gute Gründe für die Wahl der alten Sprachen: „Latein intensiviert das Beharrungsvermögen und die Konzentration”, betont der Experte. Zudem könne man durch das Erlernen von Griechisch und Latein andere Sprachen leichter lernen.
Der Altphilologe Zimmermann appelliert: „Das Erlernen des Altgriechischen ist niemals unnütz oder gar sinnlos, sondern schön und gut“. Die griechische Sprache fasziniere durch Geschmeidigkeit, Präzision und Ausdruckskraft als auch in ihrem Wohlklang. Altgriechischunterricht konfrontiere die Schüler keinesfalls bloß mit Grammatik- und Vokabelpaukerei, sondern behandle zudem antike Rhetorik, Dichtung, Geschichte und Moralphilosophie. „Das Verständnis des Altgriechischen ist fundamental für das Verständnis unserer abendländischen Kultur“, sagt er. Nach dem Erlernen der Sprache kann man schließlich Grundtexte der Weltliteratur, zum Beispiel Homers Illias, lesen. „Wir leben in einer Demokratie, und das verdanken wir den alten Griechen oder besser gesagt den Athenern“, sagt Zimmermann. Sowohl Eltern als auch Lehrer beschwerten sich, dass die Kinder zu wenig über das demokratische System Bescheid wissen. Die Texte zahlreicher Politiker, Philosophen und Historiker von damals böten uns die Chance unsere eigene Gesellschaft zu verstehen. „Gerechtigkeit, Ethik, Moral oder Liebe – es gibt keinen Gedanken von damals, der heute nicht aktuell ist. Man gelangt ganz automatisch zu Philosophischem und beschäftigt sich damit. Zeitlos sind die Gedanken, mit denen man konfrontiert wird. Sie werden immer Gültigkeit besitzen, genauso wie ein Bach in der Musik.“
Wie lernt man nun am besten alte, „tote“ Sprachen, bei denen es nicht die Möglichkeit gibt, sich mit Muttersprachlern auszutauschen? Heute gibt es viele moderne Texte, die ins Lateinische oder Altgriechische übersetzt wurden. So finden Fans von Harry Potter, Asterix oder Winnie the Pooh leicht Zugang zu diesen Sprachen. Eine andere interessante Möglichkeit, sich dem Lateinischen zu nähern, sind die Septimanae Latinae Lateinwochen, bei denen durchgehend lateinisch gesprochen und römisch gekocht wird. Dazu kommen Lateinbegeisterte nach Amöneburg bei Marburg oder nach Freising in Bayern und führen sich neben Rezepten lebensnahes Latein zu Gemüte