Lernen Sie Dialekt!
von Anke Wilde
Mundartenkurse werden an den Volkshochschulen deutlich häufiger angeboten als noch vor einigen Jahren. Sie richten sich an Einheimische und Auswärtige, verbinden das Mundartliche mit Kleinkunst oder einer Einführung in weitere regionale Gebräuche oder Produkte. Im Programm der Volkshochschule Frankfurt/M. gibt es einen Kurs “Hessisch für Hergeloffene und Eigeplackte”, die Volkshochschule München bietet sogar einen Kurs “Sprechen Sie Bairisch!” für Nicht-Muttersprachler an, die mindestens das Sprachniveau B2 oder C1 haben.
Im Norden widmet man sich wiederum dem Niederdeutschen – so lautet der offizielle Name für Plattdeutsch, das in den Sprachwissenschaften nicht nur als ein regionaler Dialekt, sondern als eigene Sprache gewertet wird. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat das Niederdeutsche zum wesentlichem Teil der Regionalkultur und sogar zum Bildungsauftrag der öffentlichen Schulen erklärt. Ob in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein, Platt kann man an vielen Volkshochschulen im Norden erlernen.
Allein die Volkshochschule Hamburg bietet aktuell 11 Kurse an. “Das ist ein ziemlicher Hype geworden”, sagt Pressesprecherin Antje von Rein. In den vergangenen Jahren sei die Nachfrage immens gestiegen – offenbar gäbe es immer mehr Motive sich auf Plattdeutsch zu unterhalten. Immerhin sei es in Hamburg jetzt auch möglich, in Plattdeutsch das Abitur abzulegen. Und auch der NDR und das Hamburger Abendblatt stärken die Sprache mit eigenen Rubriken.
Sind Dialekte also wieder auf dem Vormarsch? Ganz so lässt sich das gewiss nicht bestätigen. In einem Interview für Spiegel Online berichtet der Sprechtrainer Matthias Kirbs, dass im Berufsleben Dialekte eher stören – was einer sagt, werde oft nicht richtig wahrgenommen, weil die Gesprächspartner stattdessen darüber sinnierten, woher ihr Gegenüber stammt. Gerade bei überregionalen oder internationalen Projekten löse ein Dialekt Irritation aus und biete den hochdeutsch redenden Wettbewerbern bessere Chancen, so Kirbs. Dabei führt er das Beispiel einer sächsischen Rechtsanwaltskanzlei an, die mehrere Fälle vermutlich nur wegen des gesprochenen Dialekts verloren habe. Gerade in den alten Bundesländern sei das Sächsische wenig beliebt.
Und auch Volkshochschulkurse zum Sächsischen sind Mangelware. Überhaupt ist sehr auffällig, dass Mundartenkurse an den Volkshochschulen im ostdeutschen Raum eine Ausnahme darstellen. Das mag zum einen daran liegen, dass in weiten Teilen kein so auffälliger Dialekt gesprochen wird, dass man eigens dafür einen Kurs einrichten müsste. Aber immerhin das Sächsische und das Thüringische wären durchaus Kandidaten für Mundart-Kurse, verfügen sie doch jeweils über einen eigenen Wortschatz und eine charakteristische Aussprache. Fehlt es den Bewohnern dieser Freistaaten an dem nötigen Quentchen Stolz für diese Art der Selbstvergewisserung, das sich in beispielsweise in München, Frankfurt und Hamburg sehr wohl findet?
“Ganz und gar nicht”, verwehrt sich Frank Ullmann von der Volkshochschule Dresden gegen eine solche Unterstellung. Die Sachsen seien in der Regel sehr stolz auf ihren Dialekt, und wer in Sachsen ist, hört ihn allerorten – auch bei Frank Ullmann selbst. “Einen solchen Kurs über den sächsischen Dialekt hatten wir auch schon im Programm, und grundsätzlich wäre das Interesse auch vorhanden. Nur leider ist dieser Dozent nicht mehr in Dresden.”
Bernd Eckhardt wiederum, der an der Volkshochschule Frankfurt den Hessisch-Kurs ins Leben gerufen hat, sieht viele Dialekte in Hessen durchaus in Gefahr, weil sie nicht mehr im unmittelbaren Gebrauch seien und künstlich am Leben erhalten würden. Unter den Besuchern des Kurses macht er lediglich zwei Gruppen aus: die Alteingesessenen, die sich auf diese Sprache rückbesinnen wollen, und die Zugezogenen, die sich für die Besonderheiten dieses Dialekts interessieren. Dass Bernd Eckhardt selbst aus Hessen stammt, ist ihm nicht anzuhören. In seiner Schulzeit habe man in Dialekten noch die Gefahr gesehen, dass sie den schulischen und den beruflichen Erfolg verringern könnten. Ein Zitat von Fritz Mauthner mag ihm zunächst nicht einfallen, das er dann aber doch findet: “Es ist ein romantischer Zug der Einheitssprache, nach ihrem Sieg den besiegten Mundarten schöne Grabsteine zu setzen.“