Ideale Sprachlehrer/-innen: Kreativ, didaktisch versiert und interkulturell sensibilisiert

Vogel_Thomas_MG_4875Dr. Thomas Vogel leitet das Sprachenzentrum der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, das er 1992 mitgegründet hat. Darüber hinaus ist er Miteigentümer der viadrina sprachen GmbH, die sich aus dem Sprachenzentrum heraus vor zwölf Jahren ausgründete. Im Sprachennetz-Interview äußert er sich zu seinem beruflichen Werdegang, zur Arbeit von Sprachlehrern und Spracherwerb durch Sprachkurse.  

Herr Dr. Vogel,  welche Tätigkeit verfolgen Sie mit der viadrina sprachen GmbH?

Die viadrina sprachen GmbH kümmert sich speziell um Mehrsprachigkeitsprojekte in der Grenzregion Frankfurt (Oder)/ Słubice und entwickelt Konzepte vom bilingualen Kindergarten bis hin zur beruflichen Weiterbildung. Vor fünf Jahren gründeten wir das Europäische Zentrum für Angewandte Mehrsprachigkeit (EZAM), eine internationale Denkfabrik für gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und ihre Förderung. Sie fungiert als Dach für die Kooperation zwischen dem Sprachenzentrum der Viadrina und der viadrina sprachen GmbH. Das Mehrsprachigkeits-Konzept an der Viadrina wurde mit dem EZAM institutionell verankert. Zu den Aufgaben der EZAM zählen unter anderem die Entwicklung von Konzepten und Beratung zur Fremdsprachenvermittlung an Hochschulen und die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonal.

Welchen beruflichen Weg haben Sie bis zu Ihrer heutigen Tätigkeit genommen?

Mein Werdegang sieht oberflächlich sehr geplant aus. Ich habe Germanistik, Anglistik und Allgemeine Sprachwissenschaft in Kiel und Belfast studiert und habe im Bereich des natürlichen Spracherwerbs promoviert. Mein Weg ging also aus der Forschung in die Praxis. Die forschende Reflexion habe ich allerdings nie aufgegeben.

Was kennzeichnet die Arbeit von Sprachlehrer/-innen?

Sie müssen kreativ, didaktisch versiert und interkulturell sehr sensibel sein. Darüber hinaus brauchen sie ein großes Fachwissen, wie Sprachen und Sprachenlernen funktioniert. Sie müssen auch Fähigkeiten zur Menschenführung haben und Frustration gut ertragen können. Sprachen zu vermitteln ist meines Erachtens die komplexeste didaktische Aufgabe, die wir kennen. Vieles ist nur über Motivation steuerbar.

Nennen Sie bitte die besonderen Herausforderungen des Berufs.

Die größte Herausforderung besteht darin, auf die individuellen Bedürfnisse, Motivationen und Lernbiografien eingehen zu können. Lehrer brauchen hier ein großes psychologisches Einfühlungsverfügen. Gleichzeitig müssen sie auf die sich ständig verändernden Bedingungen eingehen können. Spielten früher klassische Lernbiografien eine Rolle und war Fremdsprachenlernen eher eine akademische Angelegenheit, so werden heute die Staaten Europas zunehmend multikulturell und mehrsprachig. Dies bedeutet auch, dass Sprachen nicht nur im schulischen Kontext gelernt werden. Es gibt immer mehr Schüler und Studierende, die bereits mehrsprachig aufwachsen oder aufgewachsen sind. Diese Lerner haben ganz andere Erwartungen an den Fremdsprachenunterricht.

Welche Ratschläge geben Sie jungen Menschen, die beruflich „etwas mit Sprachen“ machen wollen und welche Voraussetzungen sollten diese grundsätzlich mitbringen?

Diese Frage kann man gar nicht so einfach beantworten. In einer globalisierten Wirtschaft sind Sprachkenntnisse nicht mehr das Sahnehäubchen auf dem Bildungskuchen, sondern ein Teil der unverzichtbaren Grundbildung. Sprachkenntnisse machen auch den Bewerber um einen Job unterscheidbar.

Viele denken bei Sprachlehrern an den Einsatz in der Schule. Welche Möglichkeiten bietet die Universität als Arbeitgeber für Sprachlehrer?

Im Gegensatz zur Schule ist der Sprachlehrer an der Hochschule noch kein gesellschaftlich definiertes und akzeptiertes Berufsbild. An der Hochschule in diesem Bereich eine feste Stelle zu bekommen, ist sicher ein Lottogewinn. Wir suchen jedoch Sprachlehrer, die sowohl sprachdidaktisch versiert, als auch mit einem akademischen Fach verbunden sind. Die Biografien der guten Sprachlehrer an Hochschulen sind sehr heterogen. Hier ist eine Karriere nicht planbar.

Was hat sich in der Methodik „Spracherwerb durch Sprachkurs“ aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren am meisten geändert?

Wir sind immer weiter weg gegangen von der Lernerzentriertheit hin zur Stärkung der Lernerautonomie durch Projektarbeit und Authentizität der Kommunikation. Hinzu kommt  die unverzichtbare Einbeziehung der Informationstechnologie in den Unterricht, die eine sofortige Anwendung der erworbenen Sprachkenntnisse in der authentischen Kommunikation zulässt.

Vielen Dank für das Gespräch!