Sprache des Monats: Finnisch
Als finno-ugrische Sprache gehört Finnisch (Eigenbezeichnung suomi) in Europa zu den Exoten. Auf dem Kontinent dominieren indogermanische Sprachen. Verwandt ist die finnische Sprache mit dem Estnischen und dem Ungarischen. Sie zählt knapp 4,7 Millionen Muttersprachler und ist Amtssprache in Finnland, Schweden (circa 300.000 Sprecher) sowie in der Europäischen Union.
Erste geistliche Schriften
Ursprünglich geht Finnisch auf eine uralische Ursprache zurück. Eine gemeinsame finnische Sprache entwickelte sich in der Neuzeit. Zuwanderer aus anderen skandinavischen Ländern trugen germanische Lehnwörter bei. Die Reformation leistete der finnischen Schriftsprache Vorschub. König Gustav Wasa übernahm 1524 die lutherische Kirchenlehre, die in der Folge in finnischer Sprache aufgezeichnet wurde. Der spätere Bischof Mikael Agricola ist der Urheber des ersten finnischen Buches, der 1543 veröffentlichten Fibel Abckiria , die einen Katechismus enthielt und sich an Geistliche richtete.
Weiche Konsonanten, keine Artikel
Auf Laura Stolz, Praktikantin am Finnland-Institut in Berlin, übt die finnische Sprache einen großen Reiz aus: „Sie klingt interessant, weil man kaum ein Wort aus dem Deutschen ableiten kann. Toll ist, dass es keine Artikel gibt, die man lernen muss und keine Unterscheidung im Genus zwischen maskulin und feminin. Sie und er sind auf Finnisch hän. Dafür gibt es nicht weniger als 15 Fälle. Finnisch zu lernen ist eine kleine Herausforderung, aber macht Spaß.“
Ungewohnt für Finnischlerner aus Deutschland ist auch die Tatsache, dass lokale Präpositionen an den Wortstamm angehängt werden: „’Haus’ heißt zum Beispiel talo und ‘im Haus’ talossa“, erklärt Christian Ahonen, der als Volontär für Praktikums- und Studienberatung am Finnland-Institut tätig ist.
Vorsicht, Zungenbrecher!
Arm an Konsonanten, weicht die Aussprache einiger Buchstaben stark von Deutschen ab. „y wird ü ausgesprochen und v als w. Das Wort ‘Nacht’ heißt yö, wird aber üö ausgesprochen und birgt eine kleine Herausforderung für deutsche Muttersprachler“, berichtet Laura Stolz. „Ein echter Zungenbrecher ist zum Beispiel das finnische Wort für „übernachten“: yöpyä – ausgesprochen üöpüä.“ Die Konsonanten werden weicher gesprochen als im Deutschen: „k wird mehr zu g, das p mehr wie b ausgesprochen und das t wie ein d“, führt Laura Stolz aus. Ein kleiner Basis-Wortschatz mit klanglichen Eindrücken findet sich hier .
Auf die Vokal-Länge kommt es an
Christian Ahonen hat bemerkt, dass deutsche Lernende nicht selten ein Problem damit haben, das „R“ originalgetreu zu rollen. „Auf die Betonung muss man besonders achten, denn zwei Vokale hintereinander werden lang ausgesprochen“, erklärt Ahonen. „Die falsche Betonung kann zu sogar zu mörderischen Verwirrungen führen. Beispielsweise bedeutet Tapaan hänet tänä iltana: ‘Ich treffe ihn/sie heute Abend’. Aber Tapan hänet tänä iltana heißt: ‘Ich töte ihn/sie heute Abend’.“ Buchstaben-Doppelungen finden sich häufig, zum Beispiel auch im finnischen Morgenmantel, dem aamutakki (aamu = Morgen, takki = Jacke).
Von der Kuh gestochen
Innerhalb Finnlands gibt es regional geprägte Sprachdifferenzen. Helsinki verfügt über einen eigenen Slang, den Stadin slangi. Charakteristisch für den Dialekt der Stadt Turku ist das Wort kui, das zugleich „Ich verstehe nicht“, „Warum?“ und „Wie?“ bedeutet. „Ein lustiges Beispiel für einen regionalen Unterschied ist das Wort itikka, welches in Ostfinnland ‘Stechmücke’ und in Westfinnland ‘Kuh’ bedeutet“, erzählt Laura Stolz. Neben Finnisch wird im Norden des Landes Samisch und im Westen Schwedisch gesprochen, die zweite offizielle Landessprache.
Hallo Laura und Christian!
Habe mit Intresse die Vorstellung des Finnischen gelesen und bin mit allem einverstanden, doch mit einer Ausnahme, nämlich der Feststellung, dass “man kaum ein Wort aus dem Deutschen ableiten kann”.
Dies stimmt nur bedingt, es kommt darauf an, was man unter “kaum ein Wort” versteht.
Tatsächlich gibt es im Finnischen mehrere hundert Wörter, die aus dem Germanischen und/oder aus dem Schwedischen eingewandert sind. Viele von diesen Wörtern sind durchaus erschliessbar oder über ein paar Regeln, die man kennen muss.
Einige Beispiele:
kippis (Prost) < "kippen"
hana (Hahn; Zapfhahn) < "Hahn"
vanki (der Gefangene) < fangen
katu (Strasse) < gata (schw) – "Gasse" (englisch "gate")
tihti (eng; dicht) < "dicht" bzw. "dikt" (schw.)
varoa (schützen) < be-"wahren" (vgl der "Wärter"), "vård" (schw. "Pflege")
leipä (Brot) < Brot-"Laib" (vgl. russisch "chleb")
rauta (Eisen) < "rot" und "Rost"
kauppa (Handel) < "Kauf", "köpa" (schw.).
Das Finnische duldet normal am Wortanfang nur einen Konsonant; ein fremdes Wort wird i diesen Fällen "zurechtgehobelt" bis die Form passt, z. B.:
ruuku (Topf) < Krug (d.h. der erste Buchstabe "k" wird gestrichen
ranta (Strand) < "Strand" (hier wurden die beiden ersten Konsonanten gestrichen)
tammi (Eiche) < "Stamm" (über "Eichen-Stamm"); vgl. "Tammisaari" die "Eicheninsel".
Die Übernahme (indo-)germanischer Wörter begann schon vor ca 1000(!) Jahren, da hat sich im Schriftbild und der Bedeutung einiges verändert. Viele dieser Wörter sind heute im Finnischen eher selten oder dialektal.
Ein Teil dieser Lehnwörter hat im heutigen Deutschen keine lebendige Entsprechung mehr, aber manchmal noch im Schwedischen.
Überhaupt ist es von Vorteil für das Erlernen von finnischen Vokabeln, wenn man deutsch und schwedisch einigermassen beherrscht, dadurch erweitern sich die Erschliessungsmöglichkeiten erheblich.
Für den den Interessierten kann ich empfehlen
* Mikko Bentlin: Niederdeutsche Sprachkontakte (2008): hier werden ca. 235 Wörter ausführlich besprochen
* Kaisa Häkkinen: Nykysuomen etymologinen sanakirja (2005; Neufinnisches etymologisches Wörterbuch"). (1600 S. Hier sollte man mit dem Finnischen etwas vertraut sein).
Kürzere Wortlisten pflegen in Finnisch-Lehrbüchern eingangs aufgeführt zu werden, z.B.:
Fromm/Sadenieni: Finnisches Elementarbuch (Teil I; 1956, Seite 14)
Finnisch ist schwierig genug, da sollte man jede Möglichkeit wahrnehmen die Arbeit zu erleichtern, und gerade die Etymologie stellt hier eine nicht zu unterschätzenden Hilfe dar.
Wie oben erwähnt wird ist das Finnische mit dem Ungarischen verwandt, aber: ein Deutschsprechender lernt leicher Finnisch als ein Finne Ungarisch. Der tatsächliche Abstand zwischen dem Finnischen und Ungarischen ist so gross, dass durch diese (sehr weitläufige) Verwandtschaft praktisch keine Lernhilfen mehr vorhanden sind.
Volkmar Kettnaker, Stockholm, begeisterter "Privatetymologe"