Veranstaltungsreihe DEUTSCH 3.0 – Debatten über Sprache und ihre Zukunft
„Gelassenheit“ lautet die Lösung von Karl-Heinz Göttert: Der Kölner Rhetorik-Professor und Sprachwissenschaftler rät zu Ruhe und Besonnenheit mit Blick auf den schnellen Sprachwandel unserer Gegenwart. Manche Kollegen Götterts hierzulande sind anderer Meinung, wünschen sich Maßnahmen vor allem zur Bewahrung des Deutschen. Sie sehen generell Europas kulturelle Vielfalt bedroht. In seinem 2013 erschienenen Sachbuch „Abschied von Mutter Sprache. Deutsch in Zeiten der Globalisierung“ schlägt Karl-Heinz Göttert einen anderen Ton an als den, der in vielen Medienberichten, Interviews und weiteren öffentlichen Aussagen über den Sprachwandel unserer Zeit anklingt: Das Englische verdränge das Deutsche, gerade in den Wissenschaften, äußern beunruhigt Professoren. Szene-Slang und Chatsprache machten die deutsche Grammatik ärmer, befürchten Sprachliebhaber. Mit dem Aussterben der Dialekte verschwinde regionale Identität, bedauern viele Bewohner Bayerns ebenso wie Frieslands oder Sachsens.
Göttert relativiert diese Ängste vor allem dadurch, dass er unseren Blick auf das Heute um die Vergangenheit erweitert: Sprachwandel ereigne sich schon immer, und Ängste um Bedeutung und Reichtum einer Sprache äußerten bereits die Bürger vergangener Jahrhunderte. Auch dass in den letzten Jahrzehnten mit Englisch eine einzelne Sprache die Welt erobert habe, sei nichts Ungewöhnliches: Eine „Lingua Franca“ unserer Vorfahren hieß Latein, eine andere Französisch. Das Deutsche und andere Nationalsprachen gingen in diesen Epochen dennoch ihre Wege.
Um dieser Diskussion über die Entwicklungen der deutschen Sprache Raum zu geben, organisiert das Goethe-Institut in diesem Jahr die Veranstaltungsreihe Deutsch 3.0, die noch bis Dezember dauern wird. Ziel ist den Menschen die Gelegenheit zu geben, sich über die Bedeutung des Deutschen in Gegenwart und Zukunft und auch über das Leben in einer mehrsprachigen Welt auszutauschen. Einer der Hauptthemenbereiche der Reihe ist – neben Wissenschaft und Bildung, Neue Medien und Digitalisierung sowie Mehrsprachigkeit – der Zusammenhang von Wirtschaft und Sprache. In dieses Themenfeld gehört auch die Berliner Konferenz „Sprache. Mobilität. Deutschland. Die Arbeitswelt im Wandel“ am 6. und 7. November. In drei Panels – „Deutschlandbilder in der Krise Europas“, „Sprache als Brücke“ und „Willkommenskultur in Unternehmen – Strategien und Etablierung“ – diskutieren Fachleute zu den konkreten Folgen des demographischen Wandels und der Mobilität europäischer Arbeitnehmer. Prominente Teilnehmer der Konferenz sind der Journalist Heribert Prantl mit seinem Eröffnungsvortrag und als eine der Panel-Diskutanten Aydan Özoğuz, die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.
Bis zum Abschluss und zur Auswertung der Reihe am 1. Dezember (ebenfalls in Berlin) laden noch zahlreiche Veranstaltungen dazu ein, sich an der Diskussion um die Zukunft der deutschen Sprache zu beteiligen. Parallel dazu hat das Goethe-Institut eine Sprach-Sprech-Fragen-Box auf Deutschlandreise geschickt. Interessierte können hier ihre Fragen und Ideen zur Zukunft der deutschen Sprache als Video aufnehmen lassen. Die Fragen und Antworten sind auf dem Portal (http://www.goethe.de/lhr/prj/d30/fua/deindex.htm) zu Deutsch 3.0.
Die Formel 1 +2 der EU-Sprachenpolitik
Auch Karl-Heinz Göttert kommt auf dem Portal in einem Interview zu Wort. Darin bekräftigt er einen Vorschlag, den er bereits in seinem Buch äußerte und mit dem er allen skeptischen Beobachtern des Sprachwandels die Ängste nehmen möchte: Unsere Muttersprachen bleiben unsere Muttersprachen – doch sie werden nicht die einzigen Sprachen sein, die im Leben zukünftiger Generationen eine große Rolle spielen. Als realistisch und klug beurteilt Göttert das Modell der EU-Sprachenpolitik. Gewandtheit in 1 + 2 Sprachen sei für Sprachlerner erreichbar. Die Anhänger des Schutzes der Muttersprachen und die uneingeschränkten Befürworter einer global verständlichen Sprache könnten damit beide ihren Frieden finden: 1 meint in dieser Formel die Muttersprache, 2 die Lingua Franca Englisch sowie eine weitere Fremdsprache.