Sprachen am Rand (Teil 2): Friesisch
Deutsch ist nicht die einzige Muttersprache, die in Deutschland ihren Ursprung hat. Dazu kommen Sprachen von Bevölkerungsgruppen, die stark in der Minderheit sind, aber weiterhin gesprochen werden. Sprachennetz.org stellt einige dieser „Sprachen am Rand“ vor. Der zweite Teil handelt vom Friesischen. Das klingt zum Beispiel in Nordfriesland so: Youtube – So klingt Schleswig-Holstein auf Friesisch.
Osfriesen sprechen heute „Platt“
Es ist gar nicht so einfach, die friesischen Sprachen heute korrekt einzuordnen. Beispiel Osfriesland: In der Region zwischen Ems und Jade, mit Tee und Witzen als legendären Exportschlagern, leben etwa 465.000 Menschen. Man sollte meinen, dass diese dort Ostfriesisch sprechen. Aber weit gefehlt, wie Prof. Dr. Jarich Hoekstra weiß: „In Osfriesland wird heute Plattdeutsch gesprochen. Das ursprüngliche Osfriesisch wurde dort schon im Mittelalter vom Plattdeutschen verdrängt“ , erklärt der Frisist von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die heutigen Bewohner sprechen also osfriesisches „Platt“, auch wenn dies fälschlicherweise häufig als Ostfriesisch bezeichnet wird.
Das damalige Ostfriesisch hat sich allerdings weitgehend im heutigen Saterfriesisch erhalten, das heute von etwa 2.000 Menschen in der niedersächsischen Gemeinde Saterland (Landkreis Cloppenburg) südlich von Ostfriesland gesprochen wird, wie Hoekstra erklärt. Dort hat sich das Saterfriesische erhalten, weil das Moor lange für Abgeschiedenheit sorgte. „Gouden Dai. Wo gung et die?“ So begrüßt man sich vor Ort. Der Heimatverein Saaterland/Seelter Buund kümmert sich um den Erhalt und das Brauchtum der Sprache und Kultur.
Dazu gesellen sich in Deutschland noch etwa 10.000 Sprecher des Nordfriesischen unweit der schleswig-holsteinischen Nordseeküste.
Hoekstra ist selbst friesischer Muttersprachler und stammt aus der nord-niederländischen Provinz Friesland (Fryslân), wo über 400.000 Menschen die westfriesische Sprache sprechen, davon knapp 350.000 Muttersprachler. Im Westfriesischen gibt es vier Hauptdialekte.
„Sater-, nord- und westfriesische Dialekte sind untereinander kaum verständlich“, weiß Hoekstra. Die Verständigung zwischen Westfriesisch und Saterfriesisch funktioniere vergleichsweise gut.
Friesisch als akademisches Fach
Der westfriesische Sprachforscher ist Dozent an der einzigen deutschen Hochschule, die sich wissenschaftlich mit Friesisch befasst und dazu ein vollständiges Studium anbietet. Am Institut für Frisistik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel studieren aktuell um die 30 Studierende Friesisch auf Bachelor oder Master.
An der Europa-Universität Flensburg gibt es die Option für Germanisten, einen zweisemestrigen Friesisch-Schwerpunkt zu belegen. Auch wird hier Nordfriesisch für das Lehramt angeboten. An der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg können angehende Lehrkräfte Saterfriesisch-Kurse belegen.
Auch am Friesischen Institut der niederländischen Reichsuniversität Groningen ist ein Studium des (in diesem Fall West-)Friesischen möglich. Weitere Studienorte fürs Friesische im Nachbarland sind Amsterdam, Leiden und Leeuwarden.
Friesisch im Schulunterricht
Auch an allgemeinbildenden Schulen in friesischen Regionen wird die Sprache gelehrt. „Zum Beispiel ist Friesisch ein mögliches Wahlpflichtfach für das Abitur am Gymnasium in Wyk auf Föhr“, berichtet Hoekstra. An Grundschulen und in AGs wird das sprachliche Erbe der Friesen ebenso gepflegt.
Eine unabhängige, staatlich geförderte Einrichtung, die sich der friesischen Sprache und ihren Facetten wissenschaftlich widmet, ist das Nordfriisk Intituut in Bredstedt/Nordfriesland. In Alkersum auf der Insel Föhr fördert die Ferring Stiftung ebenfalls die friesischen Sprache und Kultur. Schwerpunkt sind hier Sprache und Landeskunde der nordfriesischen Inseln Föhr und Amrum.
Vom Aussterben bedroht
„In Deutschland sind Saterfriesisch und Nordfriesisch stark vom Aussterben bedroht, aber sie werden in Schulen unterrichtet“, berichtet Jarich Hoekstra. „In Schleswig-Holstein ist der Schutz des Friesischen in der Verfassung festgelegt und es gibt ein Gesetzt für den Gebrauch des Friesischen in der Öffentlichkeit, zum Beispiel auf offiziellen Schildern.“
In den Niederlanden gibt es sogar Zeitschriften, ein ganztägiges Radio-Programm und einige Stunden Fernsehen täglich auf Westfriesisch. In Deutschland hingegen ist das Friesische in den Medien kaum vorhanden. Es gibt lediglich friesische Radiosendungen auf Föhr vom Friiskfunk, sowie ein kurzes friesisches Programm im NDR.
Germanische Wurzeln
Die drei friesischen Sprachen West-, Nord- und Saterfriesisch zählen zum nordseegermanischen Zweig der westgermanischen Sprachfamilie. Friesisch (westfriesisch: Frysk, nordfriesisch: fresk oder frasch, saterfriesisch Fräisk, dialektübergreifend: Friisk) war ursprünglich verbreitet an der Nordsee zwischen Rhein- und Elbmündung, später außerdem nördlich der Eidermündung.
Es gibt einige friesische Runen aus dem 6. Jahrhundert, aber die ersten längeren, west- und ostfriesischen Texte (friesische Rechtshandschriften) stammen aus dem 13. Jahrhundert. Aus jener Zeit gibt es auch einige Zeilen einer friesischen Übersetzung von lateinischen Psalmen. Die damalige Epoche des Altfriesischen reichte bis ins 16. Jahrhundert. Anschließend entwickelten sich die modernen friesischen Sprachen.
Englische Sprachverwandtschaft
Historisch ist das Friesische am nächsten mit der englischen Sprache verwandt. Angesprochen auf typische Merkmale der friesischen Sprache, nennt Hoekstra die Palatalisierung und Assibilierung des Buchstaben k (Westfriesisch „tsjerke“, Saterfriesisch „Särke“, Nordfriesisch (Mooring-Dialekt) „schörk“, wie im englischen „church“ und im Gegensatz zur deutschen „Kirche“ oder zur niederländischen „kerk“.
Die Nähe zum Englischen findet sich auch in friesischen Bezeichnungen für „Schlüssel“: „Dieser heißt auf Westfriesisch ‘kaai’, auf Saterfriesisch ‘Koai’, im nordfriesischen Fering-Dialekt ‘kai’, ganz ähnlich dem Englischen ‘key’“, erläutert Hoekstra.