Sprachen am Rand (Teil 1): Sorbisch
Deutsch ist nicht die einzige Muttersprache, die in Deutschland ihren Ursprung hat. Dazu kommen Sprachen von Bevölkerungsgruppen, die stark in der Minderheit sind, aber weiterhin gesprochen werden. Sprachennetz.org stellt einige dieser „Sprachen am Rand“ vor. Der erste Teil widmet sich dem Sorbischen. Und das klingt zum Beispiel so: https://www.rbb-online.de/radio/sorbisches_programm/sorbisches_programm.html.
Die sorbische Sprache (veraltet auch Wendisch oder Lausitzserbisch) sprechen heute laut Sorbischem Kulturlexikon (Domowina-Verlag, Bautzen, 2014, Hg.: Franz Schön/Dietrich Schulze) zwischen 25.000 und 30.000 der Menschen – die meisten von ihnen Obersorbisch und bis zu 5.000 Niedersorbisch.
Beheimatet in der Lausitz
Beide bilden eine eigene Schriftsprache, wobei Obersorbisch (hornjoserbšćina, hornjoserbska rěč) in der Oberlausitz und Niedersorbisch (dolnoserbšćina, dolnoserbska rěc) in der Niederlausitz gesprochen wird. In Ostbrandenburg und Sachsen leben insgesamt etwa 60.000 Sorben. Am Rande des Sprachgebietes gibt es so genannte Übergangsdialekte. Hier ein Überblick: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4c/Sorbische_Dialekte.png.
Während der rbb Radio- und Fernsehsendungen in Niedersorbisch ausstrahlt, sendet der MDR in Obersorbisch: http://www.mdr.de/serbski-program/rozhlos/aktualne-prinoski/index.html. Nach Angaben des rbb sind die Sendungen beider Sender in der Regel verständlich für alle sorbischen Hörer und Zuschauer. Es gibt natürlich auch sorbische Zeitungen, Zeitschriften, Webseiten sowie Bücher, Hörspiele und Filme.
In beiden Sprachen identische Vokabeln sind etwa „ruka“ für Hand oder „zyma“ für Winter. Prägnante Unterschiede gibt es bei den Konsonanten. Des einen g ist des anderen h: So heißt Schnee auf Obersorbisch „sněh“, auf Niedersorbisch „sněg“, Berg „hora“ beziehungsweiese góra.
Sorbisch an der Uni
Als westslawische Sprache ist Sorbisch verwandt mit Polnisch, Tschechisch, Slowakisch und Kaschubisch. Ein regionale Besonderheit: Im Gegensatz zu den anderen westslawischen Sprachen verfügt das Niedersorbische neben dem Singular und Plural auch über den Dual, die Zweizahl. Wissenschaftllich erforscht wird Sorbisch im Studienfach Sorabistik an der Universität Leipzig. Ausgebildet werden hier auch Lehrer für Ober- und Niedersorbisch an Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien.
Ob und wie sorbische Kinder die Sprache heutzutage lernen, ist regional verschieden. „In der Niederlausitz, in der Schleifer und Hoyerswerdaer Region sowie um Bautzen wird Sorbisch als Muttersprache vorwiegend von älteren Personen gesprochen. Viele Kinder und Jugendliche eignen sich die sorbische Sprache eher im Kindergarten beziehungsweise in der Schule an“, weiß Dr. Anja Pohontsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sorbischen Institut/Serbski institut und bis Juni 2015 Moderatorin der sorbischsprachigen rbb-Sendung „Łužyca“.
Kerngebiet im katholischen Südwesten
Anders sei es in der sogenannten katholischen Region, dem südwestlichen Teil des sorbischen Siedlungsgebiets, begrenzt in etwa vom Städtedreieck Bautzen–Kamenz–Hoyerswerda, so Pohontsch weiter. „Hier wachsen die meisten Kindern mit Sorbisch oder mit Sorbisch und Deutsch in den Familien auf, sie erwerben also Sorbisch auf natürlichem Weg als Muttersprache. In der katholisch geprägten Region finden überwiegend sorbischsprachige Gottesdienste statt, in den Kindergärten wird Sorbisch gesprochen und in den Schulen wird Sach- und Fachunterricht in der Muttersprache angeboten. Diese Region gilt seit Mitte des 20. Jahrhunderts als sorbisches Kerngebiet.“
Auch außerhalb des Kerngebietes gibt es laut Anja Pohontsch „WITAJ“-Kindergärten, in denen Vorschukinder aus deutschsprachigen Familien sich spielerisch Sorbisch aneignen und in der Schule ausbauen können. Erwachsene können Sorbisch in Cottbus an der Schule für niedersorbische Sprache und Kultur, am WITAJ-Sprachzentrum oder an Volkshochschulen lernen.
Um die sorbische Sprache und Kultur zu fördern und zu erhalten, finanzieren der Bund sowie die Länder Brandenburg und Sachsen die Stiftung für das sorbische Volk. Sie unterstützt Institutionen wie das Sorbische Institut, das Sorbische Museum in Bautzen oder die Domowina (den Dachverband der Sorben). Ausserdem ist sie jedes Jahr auf der EXPOLINGUA Berlin mit einem Stand vertreten.
Sprichwörtlich Sorbisch
Wenn jemand stark schwitzt, lässt sich auf Obersorbisch kommentieren: „Wón poći so kaž bar w pjecy“. Wörtlich: Er schwitzt wie ein Bär im Backofen. Und wer sich etwas merken soll, dem wird auf Niedersorbisch empfohlen: „Piš se to za nokśe!“ – Schreib dir das unter die Fingernägel!