Ein stilles Örtchen und seine globale Sprache
Warum sollte man sich mit Kommunikation auf dem Klo beschäftigen? Dieser Frage geht der Journalist Constantin Alexander nach. Er hat Fotos von Toilettenschildern gemacht und Geschichten gesammelt an Orten, deren Nutzer ganz verschiedene sprachliche und kulturelle Hintergründe haben. Seine These: „Eine Weltsprache entwickelt sich basierend auf Memes. Grundlage ist die Organisation des täglichen Lebens. Ein Beispiel sind Toilettenschilder.“
Memes sind nach der ursprünglichen Definition nichts anderes als „Einheiten, in denen Kultur weitergegeben wird.“ Darunter fallen natürlich nicht nur über das Internet verbreitete, also virtuelle Inhalte, sondern ebenfalls physische bzw. reale Dinge, die einerseits Kultur transportieren und sich anderseits replizieren oder von anderen Menschen imitiert werden. Constantin Alexander findet diese Charakteristika in der realen Welt und untersuchte Toiletten verschiedener Bars, Klubs, etc. Doch wie kann man das Klo als Raum der Kommunikation verstehen? Wo lassen sich hier Memes finden?
Erst einmal sind jedem Kommunikationsformen auf dem stillen Ort bekannt, ohne dass man gleich weiß, was gemeint ist. Klosprüche, -fragen, Piktogramme, ikonografische Zeichen bzw. Memes auf Toiletten kennt jeder, hat schon jeder gesehen, selbst verfasst oder sich an ihnen beteiligt. Laut Alexander sei es hier nötig „eine minimalistische Sprache zu benutzen, damit jede Person teilhaben kann.“ Vielen Menschen sei dabei gar nicht bewusst, dass sie an diesem Ort mit Memes in Kontakt kommen. Ikonografien mit universellen Aussagen fangen dabei an der Tür an, die uns Weise klarmachen, ob wir die linke oder rechte Tür nehmen sollen. Das steht in keinem Duden oder Knigge, sondern wird uns während der Erziehung vermittelt. Das ist in den USA nicht anders als in Indien – auch wenn die Symbole in verschiedenen Regionen bzw. Kulturen unterschiedlich sein können.
Das Internet und vor allem die sozialen Netzwerke sind eine Ausdrucksform der eigenen Individualität und Identität. Menschen möchten sich und ihre individuellen Vorlieben zur Schau stellen und gleichgesinnte identifizieren, um mit ihnen kommunizieren zu können. Facebook, Twitter & Co. basieren also wie reale Interaktion auf Dialog, Aktion und Reaktion. Gleiches ließe sich ebenfalls auf Toiletten erkennen: Eine hier gestellte Frage will auch hier beantwortet werden.
Dabei sind Klosprüche keinesfalls eine Erfindung der letzten 100 Jahre. Bereits in Rom „unterhielten“ sich die Bewohner über das politische Tagesgeschehen, Gladiatorenkämpfe, Frauen- und Männergeschichten, usw. Karl-Wilhelm Weeber lieferte Mitte der 90er eine schöne Untersuchung in seinen Buch „Decius war hier…: Das beste aus der römischen Graffiti-Szene“, die sich dabei einfach auf die von Constantin Alexander aufgestellten Thesen anwenden lassen.
Wer sich den Vortrag von Constantin Alexander einmal anschauen möchte, hat über die Webseite der re:publica noch die Chance dazu: http://re-publica.de/session/haujupi