Sprache des Monats: Chinesisch
Geflügelte Phrasen und Sprichwörter zeigen, dass Deutschen der Zugang zur chinesischen Sprache traditionell nicht leichtfällt. Gerne wird ihre Andersartigkeit in Lauten und Schriftzeichen mit Unverständlichkeit gleichgesetzt: Das gilt ebenso für die rhetorische Frage „Sprech’ ich Chinesisch?“ wie für den Begriff „Fachchinesisch“. Dabei gibt es nicht nur eine, sondern mehrere chinesische Sprachen, die von etwa 1,3 Milliarden Menschen gesprochen werden – aber nur eine Schrift.
Acht Dialektgruppen
Die chinesischen bzw. sinitischen Sprachen bilden einen Primärzweig der sinotibetischen Sprachfamilie und werden vor allem in China sowie in Taiwan gesprochen, aber auch in Ländern mit größeren Chinesisch sprechenden Minderheiten, von Südostasien bis zu den USA. Die meisten Sprecher verwenden die Standardsprache Hochchinesisch (auch: Mandarin; in der VR China „Pǔtōnghuà“, auf Taiwan „Guóyǔ“). Das Mandarin bildet die größte Dialektgruppe und ist beispielsweise in Peking gebräuchlich. Zudem gibt es sieben weitere chinesische Sprachen, die wiederum viele Einzeldialekte aufweisen. Schon in der Zhou-Dynastie (11.-3. Jahrhundert v. Chr.) weisen historische Quellen auf eine eine Dialekt-Gliederung hin, die sich in den weiteren Jahrhunderten weiter verstärkte.
Die deutsche Journalistin Saskia Weneit lernte vor ihrem zweimonatigen Aufenthalt in der Volksrepublik im Zuge eines Stipendiums drei Monate Mandarin. Ihr Fazit: „Es ist sehr schwer. Wobei die Grammatik sehr einfach ist, die Verben werden nicht konjugiert. Aber sprechen und lesen sind zwei grundverschiedene Dinge.“
Tonhöhe entscheidet über Bedeutung
Frau Wang Yan (王燕) ist Koordinatorin des Sprachbereichs und Dozentin für Chinesisch am Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin und war zuvor an der Universität Peking tätig. Sie kennt die Fallstricke für deutsche Chinesisch-Schüler: „Die größten Probleme bereiten Lernenden fast aller Nationalitäten die Tonhöhen, mit der Wörter auszusprechen sind – das sogenannte Shengdiao-System –, da diese in der deutschen Sprache nicht vorkommen.“ Die Bedeutung eines Wortes hängt stark von der Tonhöhe ab, die sich aus den kunstvoll-kalligrafischen chinesischen Schriftzeichen ergebe. Mit mehreren Zehntausend Schriftzeichen, die unterschiedliche Bedeutungen haben, ist Chinesisch die einzige Morphemsprache der Welt. „Die gleiche Silbe besitzt in unterschiedlicher Betonung verschiedene Bedeutungen“, so die Expertin. „Die Silbe ‘ma’ etwa bedeutet, sehr tief gesprochen, ‘Pferd’. Ist die Tonhöhe hingegen sehr hoch, so bedeutet sie ‘Mutter’.“
Das Erlernen der Schriftzeichen erfordert laut Wang Yan viel Übung. „Die Fähigkeit, Schriftzeichen zu erkennen wird im Lernprozess jedoch oft automatisch erworben. Auch stellen sich deutsche Lernende gerade beim Schreiben der Zeichen in der Regel äußerst geschickt an“, lobt die Dozentin ihr Klientel. Ansonsten sei weder die Aussprache noch die Grammatik schwierig, so dass deutsche Lernende selten damit zu kämpfen hätten. „Insgesamt würde ich sagen, das Chinesische ist eine eher leicht zu erlernende Sprache“, sagt Wang Yan.
Eine Besonderheit der Grammatik ist das Fehlen von Konjugationen, Zeitformen oder Deklinationen. Der Satz „zhèli de fángzi hen piàoliang“ hat laut Wang Yan folgende Bedeutungen: „Das Haus/ die Häuser hier ist/war/sind/waren sehr schön.“ Die Bedeutung ergibt sich aus dem jeweiligen Kontext.
Sprache der Zukunft
Für deutsche Lerner sieht Wang Yan den Reiz des Chinesischlernens vor allem in der Chance, sich einen riesigen Kulturkreis zu erschließen. „Obwohl Chinesisch als Fremdsprache in Deutschland boomt, reicht das Angebot an Menschen mit Chinesisch-Kenntnissen bei weitem noch nicht aus, den Bedarf zu decken“. Das wirtschaftliche Wachstum Chinas und die Tatsache, dass Englisch in China trotz großer Bemühungen der Regierung von der Bevölkerung kaum beherrscht wird, eröffnen jungen Menschen mit Chinesisch-Kenntnissen eine Vielzahl beruflicher Entfaltungsmöglichkeiten – speziell in der Wirtschaft und im Tourismus. Nach Angaben des DAAD absolvieren schon heute über 6000 junge Deutsche einen Teil ihres Studiums in China.