Studieren im Niger – „wichtig sich der Kultur zu öffnen“
Söhnke Stöckmann ist 24 alt und studiert Afrikanistik an der Uni Leipzig. In seinem fünften Semester ging für insgesamt ein Jahr in den Niger, um an der Universität Niamey zu studieren. Nicht nur seine Hausa-Sprachkenntnisse haben sich dadurch verbessert. Auf der StudyWorld 2014 hatten wir die Chance mit Söhnke zu sprechen. Womit man im Niger rechnen muss und was für Besonderheiten auf einen zukommen, verrät er uns im folgenden Interview.
Was waren für dich die Gründe einen Auslandsaufenthalt zu absolvieren?
Ich war nach dem Abitur schon einmal zehn Monate im Ausland und zwar in Westafrika, in Gambia, für den Freiwilligendienst. Danach habe ich angefangen Afrikanist in Leipzig zu studieren. Bestandteil des Studiums ist die Wahl einer afrikanischen Sprache, entweder Hausa oder Suaheli. Hier fiel meine Wahl auf Hausa, da ich mich entschieden habe im 5. Semester für ein Jahr wieder nach Westafrika ins Ausland zu gehen. Ich wollte die Sprache vor Ort anwenden und entschied mich für den Niger als Ziel. Ich interessiere mich für die Kultur, für den ganzen Raum Sahara-Sahel. Ich hatte unglaublich gute Erfahrung dort gemacht und deswegen hatte ich im Vorfeld keine großen Bedenken.
Wie hast du deinen Auslandsaufenthalt organisiert?
Ich habe erst mal im Internet geschaut. Die Seite der Universität, an der ich im Endeffekt studiert habe, war nicht besonders aktuell, unter den angegebenen Telefonnummern und E-Mail -Adressen bin ich bei der Informationssuche nicht weitergekommen. Allerdings hatte ich Glück, dass mein Hausa-Lehrer an der Uni Leipzig aus dem Niger stammt. Er konnte mir einen Kontakt zur Uni Niamey im Niger vermitteln. Schließlich habe ich eine Einladung von der Linguistik-Fakultät erhalten. Die Einladung war notwendig für meine Bewerbung um ein Stipendium beim DAAD, aber das meiste hat sich letztendlich vor Ort geklärt. Ich bin im September angereist und war direkt am zweiten Tag nach meiner Ankunft an der Uni zum Einschreiben. Ich musste dann im Laufe der nächsten zwei, drei Wochen meine Dokumente vorzeigen.
Worauf sollte man im Niger gefasst sein?
Dadurch, dass ich bereits in Gambia Erfahrungen in der Region sammeln konnte, war es für mich kein komplett neues Erlebnis. Wie in vielen afrikanischen Ländern spielt sich das Leben auf der Straße ab und nicht in den eigenen vier Wänden. Somit war es für mich eine Zeit, in der ich auch viel in der Stadt unterwegs war und mich zum Beispiel nach nigerianischer Tradition mit Freunden zum Tee getroffen habe. Die Uni liegt relativ zentral und ist gut zu erreichen. Studentenwohnheime gibt es auch, aber die sind sehr eng belegt. Auf 8qm gibt es zwei Betten, die sich aber meistens vier Leute teilen müssen. Entweder man wechselt sich also ab oder schläft zusammen. Es gibt nicht genug Wohnheimplätze und kulturell ist es gang und gäbe das Zimmer mit Freunden oder Bekannten zu teilen. Ich hatte mir dann in der Nähe der Uni etwas Eigenes gesucht: ein zwei-Raum Appartement, das war ganz in Ordnung. Ich brauchte 20 Minuten zur Uni zu Fuß und konnte mich gut in den Stadtbezirk integrieren.
Einen Kulturschock hatte ich nicht, weil ich ja bereits vorher in Westafrika war. Von Daheimgebliebenen wurde ich oft auf das Thema Kriminalität angesprochen. Aber weder im Niger noch in Gambia – also insgesamt etwa in zwei Jahren in Westafrika – habe ich auch nur einmal eine Situation erlebt, in der ich mich unwohl gefühlt habe. Und ich war auch nachts um elf Uhr noch unterwegs.
Was waren die Highlights deines Auslandaufenthalts?
Woran ich immer wieder denken muss, sind die Reisen, die ich im Land selbst gemacht habe. Der Niger ist ein sehr armes und durch Landwirtschaft geprägtes Land ist. Ich bin froh über die Möglichkeit, durch meine Reisen in den Norden inklusive Sahara ein bisschen mehr die Lebenswirklichkeit abseits der Hauptstadt kennenzulernen. Das hat mich schon sehr beeindruckt.
Hast du praktische Tipps für Studenten, die sich für ein Studium im Niger interessieren?
Also man muss sich im Klaren sein, dass es eine komplett andere Kultur ist. Wenn man noch keine Erfahrung in Afrika gemacht hat, kann es schon zu dem bereits erwähnten Kulturschock kommen. Ich denke es ist wichtig sich der Kultur zu öffnen und nicht immer in europäischen Kreisen – mit anderen Austauschstudenten – zu verkehren oder sich nicht nur im Diplomatenviertel aufzuhalten, denn so gelingt der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung nur schwer. Ich würde jedem einfach raten auf die Menschen vor Ort zuzugehen und sich nicht von Vorurteilen abschrecken zu lassen. Das hilft beispielweise ungemein bei der Wohnungssuche: Nur durch Eigeninitiative habe ich schnell etwas finden können.
Drei Worte, die dir in den Sinn kommen, wenn du an deinen Aufenthalt denkst?
- Begegnung
- Frustration
- Vorurteile
Hallo Söhnke Stöckmann,
das Interview liest sich sehr nett und auch so, als seist Du vor Ort gut klar gekommen.
Die Stichpunkte „Frustration und Vorurteile“ haben mich von daher schon gewundert.
Niger gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, mit regelmäßig wiederkehrenden Hungersnöten und Dürre, es ist Malaria Risikogebiet und Bilharziose sowie Leishmaniasis sind weit verbreitet. Wie bist Du damit umgegangen? Trotz der Unabhängigkeit von Frankreich seit 1960 ist Französisch die Amtssprache. Hast Du viel Französisch anwenden müssen oder doch eher Hausa?
Eine Frage noch, hast Du viel geschriebene Literatur in Hausa vorgefunden oder eher nur orale Anwendung? Wie sieht es mit der Alphabetisierung der Bevölkerung aus, kann jeder schreiben und lesen? Hast Du viele Kontakte knüpfen können und wärest Du auch hier vor Ort an Kontakt interessiert? Mein Freund aus Niger ist eine Autostunde von Leipzig entfernt. Er spricht Hausa und Djerma, kann es aber nicht lesen. Herzlicher Gruß Zozan
Hallo Söhnke Stöckmann,
das Interview liest sich sehr nett und auch so, als seist Du vor Ort gut klar gekommen.
Die Stichpunkte „Frustration und Vorurteile“ haben mich von daher schon gewundert.
Niger gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, mit regelmäßig wiederkehrenden Hungersnöten und Dürre, es ist Malaria Risikogebiet und Bilharziose sowie Leishmaniasis sind weit verbreitet. Wie bist Du damit umgegangen? Trotz der Unabhängigkeit von Frankreich seit 1960 ist Französisch die Amtssprache. Hast Du viel Französisch anwenden müssen oder doch eher Hausa?
Eine Frage noch, hast Du viel geschriebene Literatur in Hausa vorgefunden oder eher nur orale Anwendung? Wie sieht es mit der Alphabetisierung der Bevölkerung aus, kann jeder schreiben und lesen? Hast Du viele Kontakte knüpfen können und wärest Du auch hier vor Ort an Kontakt interessiert? Mein Freund aus Niger ist eine Autostunde von Leipzig entfernt. Er spricht Hausa und Djerma, kann es aber nicht lesen. Herzlicher Gruß Zozan
Hallo Zozan,
vielleicht kann ich dir einige Fragen beantworten:
Ich habe vielleicht zu 90% Hausa nutzen können und eigentlich nur in der Universität Französisch gehört. Geschriebenes Hausa ist trotzdem sehr wenig zu sehen – manchmal an Läden und Häuserwänden, aber Französisch dominiert den Schriftverkehr. Es gibt Hausa-Literatur zu kaufen, aber nur wenn man gezielt danach sucht. In Nigeria hat die Sprache einen dominateren Status und Hausa-Literatur gibt es oft.
Wie in allen Städten der Welt hat man in Niamey auch eine gewisse Distanz zur ländlichen Realität. In der Zeit als ich dort war gab es keine besonderen Umstände wie Nahrungsmittelknappheit. Dennoch sind die Verhältnisse auf dem Land nicht sehr gut. Viele Leute ziehen in die Städte.
Malaria ist in Städten meistens nicht sehr verbreitet – außerdem ist die medizinische Infrastruktur besser als auf dem Land. Meine einzige Maßnahme – unterm Netz schlafen.
Bilharziose gibt es nur beim Baden in Binnengewässern. Ich war mehrmals in der Woche im Niger-Fluss und hatte auch keine Probleme. Leishmaniose hab ich schon mal gehört, aber kann dazu eigentlich nichts sagen.
Ich wohne mittlerweile in Göteborg und nicht mehr in Leipzig, habe aber noch guten Kontakt zu nigrischen Freunden.
Schöne Grüße,
Söhnke