Bilinguale Babys lernen Sprachen im eigenen Rhythmus

Zahlreiche Studien zeigen, dass Kinderhirne große Leistungen vollbringen. So können bereits wenige Monate alte Säuglinge die typischen Laute und die Sprachmelodie ihrer Muttersprache mühelos erkennen. Doch wie sieht das bei Säuglingen aus, die mehrsprachig aufwachsen? Wann erkennen sie ihre Muttersprachen? Dies untersuchten amerikanische Forscher der University of Washington in einer im Fachmagazin “Journal of Phonetics” erschienenen Studie. Dabei fanden Sie heraus, dass sich bei bilingualen Säuglingen, die Phase der entscheidenden Sprachprägung weiter nach hinten verschiebt.
Die Forscher untersuchten jeweils eine Gruppe mit einsprachigen Kindern und eine Gruppe bilingualer Kinder unterschiedlichen Alters. Die Kinder stammten aus rein englischen, rein spanischen und spanisch-englisch gemischten Haushalten und wurden über ein Jahr hinweg untersucht. In regelmäßigen Abständen unterzogen sich die kleinen Probanden diversen Sprachtests. Die Säuglinge trugen während der Tests eine leichte Kappe mit Elektroden, die ihre Hirnströme aufzeichneten. In den Tests hörten die Kinder zunächst verschiedene Laute, die in beiden Sprachen vorkommen. Dazwischen ertönten ab und zu einzelne typisch spanische oder typisch englische Laute. Mittels eines Elektroenzephalogramms (EEG) wurde durch Hirnstromsignal angezeigt, ob die Säuglinge die kontrastierenden Sprachmuster erkennen.
Die Forscher konnten deutliche Unterschiede bei den sechs bis neun Monate alten Kindern feststellen. Während das Gehirn einsprachiger Säuglinge auf Sprachlaute sowohl aus dem Englischen als auch aus dem Spanischen reagierte, zeigte das EEG bei bilingualen Kindern gar keine Hirnstromsignal. Im Gegensatz dazu reagierten die Gehirne von einsprachigen Kindern im Alter von zehn bis zwölf Monaten nur noch auf Laute ihrer Muttersprache. Bei Kindern, die zweisprachig aufwachsen, registrierten die Forscher in derselben Entwicklungsphase erstmalig überhaupt Hirnstromsignale. Durch die Messung von Gehirnreaktionen konnten die Forscher außerdem erkennen, welche Sprache die zweisprachigen Kleinkinder präferieren.
Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass sich das Gehirn bilingualer Babys offenbar nach einem anderen Zeitplan auf eine Sprache festlegt als das von einsprachigen Babys. Die Forscher gehen davon aus, dass das Gehirn bilingualer Kinder länger flexibel bleibt, um die große Vielfalt unterschiedlicher Sprachlaute in zweisprachigen Umgebungen besser verarbeiten zu können.
Mehr Informationen zur Studie: www.sciencedirect.com