Fremdsprachen lernen – Besser spät, als nie
von Annette Leyssner
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Stimmt nicht! Aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung belegen: Ältere Menschen können vom Jonglieren bis zur neuen Sprache alles lernen. Und was manche Aspekte des Studierens angeht, übertrumpfen sie jeden Jungspund.
Lange Zeit trauten Hirnforscher älteren Menschen wenig zu. Nach der Pubertät sei das Gehirn fertig verdrahtet, danach würde das Lernen nicht mehr gut funktionieren, besagte die Theorie. Heute weiß man, dass das ein Irrtum war. Unser Gehirn giert nach Neuem, egal wie alt wir sind. Der Neurowissenschaftler Arne May vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf fand heraus: Im Gehirn werden zeitlebens neue Nervenzellen gebildet. Sie entstehen vor allem im Hippocampus, dem wichtigen Areal für Lernen. „Wir haben die älteren Menschen unterschätzt“, sagt auch der Psychologe Philippe Rast. Rast wertete Daten zu den kognitiven Fähigkeiten von Zürichern zwischen 66 und 81 Jahren aus. Bei einzelnen Aufgaben übertrumpft die ältere Generation sogar die Jüngeren. „Im Kopfrechnen sind sie viel besser“, nennt Rast ein Beispiel, „weil die heutige Jugend mit Taschenrechnern groß wird.“ Trotz vieler offener Fragen zu Einzelheiten der im Gehirn ablaufenden Prozesse sind sich Forscher in einem Punkt einig: „Use it or lose it.“ Das gilt für das Gehirn wie für kein anderes Organ. Wer seinen Geist erlahmen lässt, wird tatterig. Sprachenlernen hingegen hält geistig fit. Schließlich haben die Gedächtniszellen hierbei viel Neues zu verarbeiten und mit bereits erworbenem Wissen zu verknüpfen.
Wenn ältere Menschen eine neue Sprache lernen, so geschieht dies oftmals nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Freude. Folgende Tipps für die Ü-50 Lerner hat die Sprachlehrforscherin Annette Berndt von der Technischen Universität Dresden, damit das Vorhaben gelingt:
- Sich Zeit nehmen. „Oft benötigen ältere Menschen etwas länger, um sich eine neue Sprache zu erschließen. Setzen Sie sich daher nicht unter Druck.“
- Aussprache trainieren. Älteren falle es oft schwerer als jungen Menschen, die richtige Intonation einer Fremdsprache zu lernen. „Nutzen Sie die Möglichkeiten, die multimediale Sprachkurse bieten. Hier können Sie sich sämtliche Vokabeln von Muttersprachlern vorsprechen lassen – sooft Sie möchten. Leihen Sie sich DVDs aus und sehen Sie Filme in der Originalsprache an. Wenn Sie möchten, können Sie sich Untertitel einblenden lassen – zunächst auf Deutsch und später in der Fremdsprache“, rät Berndt.
- Vom Perfektionismus verabschieden. „Bestimmte Dinge kann man im Alter nicht mehr perfekt lernen, etwa die Aussprache: Die Fähigkeit, eine Sprache akzentfrei zu sprechen, verlieren wir schon im Grundschulalter“, sagt die Expertin.
Als Anlaufstelle für Sprachstudenten in den besten Jahren eignen sich zum Beispiel Volkshochschulen. Viele haben spezielle Angebote für Senioren, bei denen bei der Gestaltung des Unterrichts Rechnung getragen wird, dass die Kursteilnehmer lange nicht mehr in einem externen Umfeld studiert haben. Informationen gibt es bei der lokalen Volkshochschule. Sprachkurse im Ausland sind eine Alternative. Wenn die Kinder groß und die Wohnung abbezahlt sind, steigt oftmals das Interesse, fremde Länder zu bereisen. Mit Fremdsprachenkenntnissen können ältere Menschen fremde Kulturen besser entdecken und kulturelle Angebote nutzen, beispielsweise Kinofilme im Original sehen.
Einige Reiseanbieter haben 50+ Sprachreisen für ältere Erwachsene im Angebot, zum Beispiel Edu Seasons oder LAL Sprachreisen. Beide Anbieter werden auch auf der EXPOLINGUA 2017 im November in Berlin vertreten sein. Die Vorteile einer 50+ Sprachreise liegen auf der Hand: Die Teilnehmer treffen auf andere sprachenbegeisterte und aktive Menschen im besten Alter, mit denen sie sich austauschen können. Außerdem ist der Lernprozess in einem Land, in dem die Wunschsprache ständig gesprochen wird, sehr viel intensiver.
Eines steht fest: Welchen Weg man auch einschlägt – für Menschen im Herbst des Lebens stehen alle Methoden, eine neue Sprache zu lernen, offen.