Berufsbild: Interkultureller Trainer

Showing information„Während meiner Ausbildung wurde mir klar, dass ich selbst erfahren hatte, wie sich zwei Kulturen in der Kommunikation unterscheiden können“, gesteht Ulrike Krone, die neben ihrer Arbeit am Deutsch-Amerikanischen Institut in Tübingen freiberuflich als interkulturelle Trainerin arbeitet. Die eigene ausgeprägte interkulturelle Erfahrung ist Voraussetzung für die Menschen, die anderen dabei helfen möchten, vergleichbare Situationen zu meistern. Interkulturell nennt man die Situationen, in denen sich Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft in irgendeiner Form austauschen.

Gesprächsführung zeigt kulturelle Unterschiede

„Als ich in Boston studierte, sollte ich für ein Seminar zur Arbeitskultur eine Person interviewen. Ich rief meine Gastmutter aus der Zeit meines Austauschjahres in den USA an. Sie arbeitet als Anwältin und hat zwei Töchter. ‘Würdest du deinen Kindern deinen Job empfehlen?’, wollte ich von ihr wissen. ‘Absolutely not’, antwortete sie. Ich war irritiert, denn mir hatte sie damals immer geraten, auch Anwältin zu werden. Also fragte ich nach. ‘That is because you like to argue, Ulrike’, erklärte sie mir. Ich halte mich nicht für sehr streitlustig und Jahre später habe ich begriffen, dass das einfach an meinem in Deutschland gelernten sehr direkten Kommunikationsstil lag. In den USA ist man indirekter und starker auf die gute Beziehung fokussiert, es gilt: „If you don’t have anything nice to say, don’t say anything at all.“

Interkulturelle Trainer machen Menschen oft anhand solcher Beispiele bewusst, wie sehr jeder von uns in seinen Ansichten und in der Gesprächsführung von der eigenen Kultur geprägt ist – und welche Missverständnisse entstehen können, wenn die eigene Kultur auf andere Kulturen trifft. Der Bedarf an interkulturellen Trainern in Deutschland ist da. Rund 465 000 Menschen wanderten 2013 in Deutschland ein, wie vor Kurzem bekannt gegeben wurde. Nach den USA ist Deutschland damit das größte Einwanderungsland unter den OECD-Staaten.

Zahlreiche Einsatzfelder und Zielrichtungen interkultureller Trainings

Vor allem drei unterschiedliche Richtungen können interkulturelle Trainer in ihren Kursen folgen. Sie können kulturell gemischte Teams vor Ort schulen, damit Leiter und Mitglieder erkennen, wo kulturelle Unterschiede ihre Zusammenarbeit beeinflussen: in der Wirtschaft, aber auch zunehmend im öffentlichen Dienst. Viele interkulturelle Trainer bereiten zudem Wissenschaftler, Manager oder Ingenieure auf Entsendungen ins Ausland vor: In solchen Kursen berücksichtigen die Trainer besonders die kulturellen Merkmale des Gastlands. Oder interkulturelle Trainer haben den Auftrag eine Gruppe ganz allgemein interkulturell zu sensibilisieren. Denn der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund liegt in fast allen deutschen Großstädten über 20 Prozent. Interkulturelle Begegnungen sind Teil des Alltags und betreffen jeden: in Arztpraxen und Krankenhäusern, im Berufsleben, in Kitas und Schulen, bei der Job- oder der Wohnungssuche.

Ulrike Krone gibt derzeit einige Seminare an der Universität Tübingen, wo sie Empirische Kulturwissenschaft auf Magister studiert hat. Am dortigen Welcome Center etwa schult sie Wissenschaftler und Doktoranden aus dem Ausland, die vor Kurzem nach Deutschland gekommen sind. Hinzu kommen politische Institutionen, wie das Institut für Auslandsbeziehungen und Auftraggeber aus dem Bildungswesen, die Austauschprogramme in der Beruflichen Bildung fördern. Doch wieso entschied sie sich überhaupt 2012 zu ihrer einjährigen Fortbildung zur interkulturellen Trainerin?

Interkulturelles Lernen beginnt bei der eigenen Person

„Im Deutsch-Amerikanischen Institut Tübingen arbeitete ich bei Projekten mit einer interkulturellen Trainerin zusammen. Ich konnte sie bei ihrer Arbeit beobachten, war zunehmend begeistert und wusste: Das möchte ich auch machen!“ Dass man Menschen durch einige geschickte Fragen zum Nachdenken über ihre eigene Kultur ermutigen kann und damit Selbsterkenntnis ermöglicht, dafür fing Ulrike Krone Feuer. „Bei meiner Arbeit höre ich spannende Geschichten von Menschen. Ich führe Übungen und Spiele durch. Früher hatte ich mal überlegt, Lehrerin zu werden, entschied mich aber dagegen. Nun kann ich doch unterrichten und zwar genau das, was mir Spaß macht.“

Interkulturelles Lernen verläuft zu einem großen Teil auf der emotionalen Ebene: Die Teilnehmer erfahren durch Übungen, in Gruppenarbeit und Diskussionen, wie sie in ihrem Verhalten und Auftreten selbst kulturell geprägt sind. Erst wer sich seiner eigenen Kultur bewusst ist, kann sich andere Kulturen erschließen und damit umgehen, so die Überzeugung der meisten Kulturwissenschaftler. Daher machen interkulturelle Trainer ihren Teilnehmern einen Teil der menschlichen Identität bewusst, der früh im Unbewussten abgelegt wird. Enkulturation lautet der Fachbegriff für den Kultur-Lernprozess, den wir alle in der frühen Kindheit durchmachen: Menschen lernen Kultur wie eine Sprache und oft auch mittels der Sprache – durch Sprichwörter, typische bildhafte Ausdrücke der Muttersprache. Einmal gelernt, vergessen sie die Regeln, doch aus dem Unbewussten heraus bestimmen jene Regeln und kulturelle Muster das Verhalten.

Nachdenken über die kulturelle Identität macht verletzbar

In Bezug auf ihre Identität – dem bewussten oder unbewussten Selbstverständnis also – sind Menschen oft sehr sensibel. Groß ist daher die Verantwortung interkultureller Trainer. „Man braucht zweifellos viel Empathie“, betont Ulrike Krone. „Teilnehmer in Trainings äußern Gefühle: Sie ärgern und freuen sich oder sind auch betroffen. Damit muss ich umgehen und vor allem immer gut zuhören.“ Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, immer wieder neuen Menschen zu begegnen, sind die Voraussetzungen für interkulturelle Trainer. Denn die Menschen bestimmen mit ihren eigenen besonderen Biographien Ulrike Krones Arbeit. So kann jedes Seminar anders verlaufen, auch wenn Lernziele und Inhalte dieselben sind.

Kriterien zur Auswahl einer Fortbildung

Wer die genannten Fähigkeiten in sich erkennt, wen sein Umfeld in diesem Selbstbild bestätigt, dem stehen deutschlandweit zahlreiche Angebote zur Weiterbildung offen, teils an Universitäten, teils an privaten Institutionen. Auch viele öffentliche Einrichtungen wie Volkshochschulen und Integrationsverbände bieten zertifizierte Fortbildungen an. Dauer und Kosten der Fortbildung sind ein wichtiges Auswahlkriterium, sie variieren deutlich. Daher empfiehlt es sich, neben dem Preis auch das Curriculum genau zu studieren: Welche Inhalte und welche Lernziele verfolgt die Fortbildung? Leichter fällt die Entscheidung, wenn man vorab geklärt hat, welche Richtung man als interkultureller Trainer einschlagen möchte: Sollen es eher Schulungen für Entsendungen sein oder die Integrationsarbeit vor Ort?

Kennzeichen jeder guten Ausbildung ist in jedem Fall die Selbsterkenntnis: Interkulturell schulen kann nur der, der selbst einen ähnlichen Lernprozess durchlaufen hat – und wie Ulrike Krone womöglich erfährt, dass er selbst ein wenig „typisch“ ist.