Studieren in Lyon: Großstadt, Studentenstadt, lebenswert
Rund 6 600 Studierende und Wissenschaftler aus Deutschland gingen 2013 mit Förderung der europäischen Mobilitätsprogramme und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nach Frankreich. Viele zog es der Bekanntheit und des Prestiges wegen nach Paris, aber beileibe nicht alle, denn: Auch Stipendien ermöglichen in der Weltstadt kein sprichwörtliches „Leben wie Gott in Frankreich“. Die Lebenshaltungskosten sind in Frankreich generell höher als in Deutschland, doch zwischen „teuer“ und „sehr teuer“ liegt oft der entscheidende Unterschied. Die anderen französischen Großstädte ziehen auch aus finanziellen Erwägungen gleichermaßen Studierende aus Frankreich und dem Ausland an – wie Lyon, die Hauptstadt der Region Rhône-Alpes.
Ein breites Studienangebot auf überschaubarer Größe
„Als wir im Studium Ausflüge nach Paris unternahmen, konnten wir die Stadt nicht genießen – alles kostete einfach zu viel,“ berichtet Étienne Candel, seit Juni dieses Jahres Lektor für Französisch an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Étienne Candel wuchs in Lyon auf und begann dort zunächst ein Studium der Ingenieurswissenschaften, das er in Südfrankreich abschloss. Von 2010 bis 2011 kehrte er für sein zweites Studium – Französisch als Fremdsprache – in seine Heimatstadt zurück. Die Größe der Stadt ist für ihn eine Besonderheit und macht Lyon anziehend: „An einem Nachmittag kannst du von einem Ende der Stadt zum anderen wandern. Die Menschen spazieren in der Regel gern durch Lyon, auch über die vielen Brücken, die über die Flüsse Rhône und Saône führen.“
Eine halbe Million Einwohner zählt Lyon – groß, doch überschaubar. Wer dennoch irgendwann des Laufens müde wird, kann eine der vier Métro-Linien oder den Fahrrad-Leihservice der Stadt nutzen. Mit weit mehr als 100 000 Studierenden ist Lyon die zweitgrößte Studentenstadt Frankreichs nach Paris. Sie können zum Beispiel an einer der zahlreichen Grandes Écoles oder an den Universitäten Lyon 1 bis 3 studieren: Wirtschafts- und Politikwissenschaften, Geisteswissenschaften oder auch künstlerisch ausgerichtete Studiengänge.
Reiches kulturelles Leben
Künste und ein in die römische Antike reichendes kulturelles Erbe prägen auch den Alltag in den neun Arrondissements der Stadt. Die Altstadt mit der Cathédrale Saint-Jean-Baptiste de Lyon und der Basilika Notre-Dame de Fourvière und ein Teil der Halbinsel stehen seit 1998 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Über Jahrhunderte war Lyon für seine Seidenwebkunst berühmt, ein Museum erinnert an die Entwicklung dieses Handwerks in der Stadt, auch an die Aufstände der Seidenweber im 19. Jahrhundert. Die Brüder Louis und Auguste Lumière revolutionierten schließlich zum Ende des Zeitalters der Industrialisierung die Kunst in ihrer Gänze und damit die Welt: Sie schufen mit ihrer Erfindung, dem Cinématographe, den vermutlich ersten Kinofilm der Welt. 45 Sekunden dauert das Werk, sein Titel erklärt alles: „Arbeiter verlassen die Lumière-Werke“. Das Institut Lumière mit seinem darin integrierten Museum (Musée Lumière) erinnert an das Aufkommen bewegter Bilder.
Ursprünglich nicht mit der Filmtradition verbunden ist die „Fête des Lumières“: Das Lichterfest entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Marienverehrung der Stadt heraus. Aus Freude darüber, dass die Statue der Heiligen Jungfrau Maria trotz vorheriger langer Regenfälle doch noch eingeweiht werden konnte, zündeten die Bewohner Lyons am 8. Dezember 1852 spontan Lichter in ihren Fenstern an. Die kollektive Geste verstetigte sich zu einem Brauch: Über viele Jahrzehnte zündeten die Familien Lyons am 8. Dezember auf ihren Fensterbänken Kerzen in Gläsern an, so genannte „lumignons“. Seit rund zwei Jahrzehnten bestimmen professionell vorbereitete Lichteranimationen den Charakter des Festivals – sie haben den familiären Brauch mittlerweile in den Hintergrund gerückt. Die Familien verlassen nun ihre Wohnungen und bestaunen die Lichtinstallationen in ihrer Stadt. Seit 2012 verzeichnet Lyon jährlich rund vier Millionen Besucher aus Anlass der „Fête des Lumières“. 2014 wird das Festival vom 5. bis zum 8. Dezember dauern.
Alltag in Lyon: Wohnen, Essen, Kontakte
Solche kulturellen Höhepunkte machen vor allem den zeitlich begrenzten Aufenthalt ausländischer Studierender zu einer unvergesslichen Erfahrung. Der Eintritt in zahlreiche Museen ist für Besucher unter 26 Jahren kostenlos. Wer sich die vollendete französische Küche in den „bouchons“ (so die Bezeichnung kleiner Restaurants mit traditionellen Gerichten in Lyon) nur selten leisten kann, wird einen Supermarkt aufsuchen und die preiswerten Produkte der Saison auf den Märkten kaufen. Eine Bleibe zu erschwinglichen Preisen und Kontakt auch zu französischen Studierenden bieten Wohngemeinschaften, so Étienne Candel. WGs sind nämlich entgegen vieler anderslautender Annahmen in Frankreich durchaus verbreitet: „Die meisten meiner Freunde im Studium lebten in WGs. Dort findet man als Student aus dem Ausland sicher am einfachsten Anschluss. Und da viele der französischen Studierenden selbst auch nicht aus Lyon stammen, suchen sie ja gleichermaßen Kontakte. Ich habe vor allem während meines zweiten Studiums sehr viele Erasmus-Studierende kennengelernt.“
Der Reiz von Lyon – und das gilt gewiss auch für andere Studienorte in Frankreich – liegt aber nicht nur in Lyons Architektur und seinem kulturellen Leben selbst: Die Alpen sind nah, auch die sonnigen Gegenden Südfrankreichs und das Mittelmeer. Wer das Land erkunden möchte, sollte sich nach günstigen Rabattkarten der französischen Bahn SNCF erkundigen. Und wer ein wenig Geld spart, kann vielleicht auch einen Ausflug in die Metropole Paris genießen: Nur zwei Stunden fährt der TGV von Lyon bis in die Hauptstadt.