Dolmetscher: Fast unsichtbar, aber unverzichtbar

EL-2015-1-S-329Auf der EXPOLINGUA 2015 bot der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ) spannende Einblicke in den Berufsalltag und das Berufsbild eines Dolmetschers und Übersetzers. Wer ihre bzw. seine Sprachleidenschaft zum Beruf machen möchte, konnte speziell bei der Podiumsdiskussion “Frisch gebacken, und was nun? Übersetzende diskutieren über Beruf, Einstieg und Praxis” (#TranslatingEurope), moderiert von Sabine Scheidemann von der EU-Kommission, aus erster Hand Informationen und Tipps von Dolmetscher-Profis bekommen.

Mit dabei: Caroline Blumenthal (Deutsche Bahn AG). Die Diplom-Dolmetscherin und Übersetzerin bietet Dolmetsch- und Übersetzungsdienste in Deutsch, Französisch, Spanisch und Italienisch. Sie erzählt im Interview mit Sprachennetz.org aus dem Erfahrungsschatz ihres (Übersetzer-)Lebens und berichtet unter anderem, warum sie diesen Beruf wählte, was den Alltag ausmacht und worin die Faszination des Übersetzens liegt.

Warum haben Sie diesen Beruf ergriffen?

Sprachen und Sprache haben mich von Kindesbeinen an begleitet. Einerseits dadurch, dass meine Mutter als italienischstämmige Französin mit uns immer Französisch sprach und andererseits, weil meine Eltern beide in dem Bereich gearbeitet haben (Lehre und Forschung im Bereich der Romanischen Sprachwissenschaft). Es war und ist eine Leidenschaft, die wir in der Familie teilen. Nicht selten unterhielten wir uns beim Abendessen über ein Wort, seine Bedeutung und seinen Gebrauch. Für mich lag es also nah, auch etwas in dem Bereich zu machen, statt Lehrerin zu werden oder in die Forschung zu gehen, wollte ich aber die Sprache praktisch anwenden. Als von Natur aus eher introvertierter und unsicherer Mensch reizte mich außerdem am Dolmetschen, dass ich die Gedanken anderer vermittle und mich nicht selbst auf eine Meinung festlegen und sie vertreten muss.

Wie war Ihr beruflicher Werdegang?

Ich habe 2013 in Saarbrücken den Abschluss zur Diplom-Dolmetscherin mit den Sprachen Französisch und Spanisch und dem Sachfach Recht gemacht. Während des Studiums war ich insgesamt ein Jahr mit Erasmus in Spanien und Frankreich. Danach habe ich ein Stipendium für Italien erhalten, wo ich vier Monate in Triest an der Übersetzer-und Dolmetscherfakultät war. Seit Mai 2014 arbeite ich im Sprachenmanagement der Deutschen Bahn als Übersetzerin und Dolmetscherin für Französisch, Spanisch und Italienisch.

Was macht die Faszination des Berufs aus?

Vieles! Es wird nie langweilig: Ich reise viel, begleite alle möglichen Themen und Ebenen, meine Arbeit wird geschätzt. Das Schönste ist aber das Dolmetschen an sich, wenn es besonders gut läuft und man sich mit dem Thema sicher fühlt, kann es fast eine Droge werden. Man fordert sich selbst immer wieder heraus, bei jedem Satz. Dabei gibt es so viele Dinge zu beachten: Intonation, Vollständigkeit des Inhalts, Kohäsion, Eindenken in das vermeintliche (Un-)Wissen des Zuhörers. Was mich auch immer wieder fasziniert, ist der Gedanke darüber, was meine Rolle ist: dass ich eigentlich nicht da bin aber doch ohne mich die Sitzung nicht oder nicht in dem Tempo laufen würde.

Was würden Sie als Besonderheit in Ihrem Berufsalltag bezeichnen?

Ich reise viel. Ich muss mich in viele verschiedene Bereiche eindenken. Von der Wirbelstrombremse über die Wettbewerbsregulierung bis in den Alltag eines Bahnarztes. Die hohe Belastung und Flexibilität geht aber leider auf Kosten von regelmäßigen Freizeitbeschäftigungen oder der Pflege von Kontakten.

Und der Übersetzer – was braucht er als Rüstzeug?

Heutzutage brauchen Übersetzer meiner Meinung nach – ob freiberuflich oder angestellt – Wissen im Bereich CAT-Tools. Ganz besonders, wenn sie keine exotische bzw. sehr nachgefragte Sprache haben. Terminologiearbeit ist wichtig! Gut ist auch, sich zu spezialisieren, wobei das aus meiner Sicht mit der Zeit kommt. Nicht schaden kann es außerdem, wenn sie sich mit Word, Excel und anderen Formaten gut auskennen, denn immer mehr erwarten Auftraggeber eine Komplettleistung aus einer Hand – sprich, dass man etwa, wenn sie ein nicht editierbares Dokument schicken, autonom die Wörter zählt, alles bearbeitet, übersetzt und in Form bringt. Das Ganze natürlich so schnell wie möglich.

Wie sind die Berufsaussichten?

Ich hatte eine Zeit lang eine halbe Stelle als angestellte Übersetzerin und habe nebenbei versucht, mich als freiberufliche Dolmetscherin zu etablieren. Ich fand es sehr schwer, da ich den Eindruck habe, dass es momentan verglichen mit dem Marktbedürfnis zu viele Dolmetscher gibt. Das führt natürlich, auch im Übersetzen, zu Dumpingpreisen. Ich habe auch immer einen großen Konkurrenzdruck und teilweise illoyales Verhalten so mancher „alter Hasen“ gegenüber der jungen Generation von Dolmetschern empfunden. Ich kenne aber auch ein paar freiberufliche Dolmetscher und Übersetzer, die sich sehr gut über Wasser halten. Die meisten von ihnen sind schon länger im Geschäft. Eine Festanstellung zu finden, ist sehr schwierig. Ich bin jeden Tag aufs Neue dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe. Für die Sicherheit nehme ich den Verzicht auf die Freiheiten, die ich als Freiberuflerin hätte, gerne in Kauf.

Die Berufsbezeichnungen „Dolmetscher“ und „Übersetzer“ sind nicht gesetzlich geschützt. Benötigt man also keine spezielle Ausbildung?

Das ist eine provokative Frage. Ich finde schon, dass man eine Ausbildung braucht- Nicht des Diplom- oder Mastertitels wegen, denn ich glaube nicht, dass da die potentiellen Kunden drauf schauen, sondern um das Rüstzeug zu lernen. Nur weil man zum Beispiel zweisprachig aufgewachsen ist, heißt das noch lange nicht, dass man dolmetschen oder übersetzen kann. Es ist ja nicht umsonst eine Wissenschaft!

Ein Einblick in Ihren Alltag: Wie sieht ein typischer Tag aus?

Als angestellte Übersetzerin und Dolmetscherin fahre ich morgens entweder in mein Büro oder zu dem Ort, an dem der Dolmetsch-Einsatz stattfindet. Manchmal muss ich davor am Vortag oder Vorabend anreisen und nicht alle Einsätze finden in Deutschland statt. Im Büro übersetze ich oder bereite Dolmetsch-Einsätze vor und nach. Ich kontaktiere die jeweiligen Auftraggeber, um die Aufträge abzusprechen, um Fragen zu klären und an Vorbereitungsmaterial zu kommen. Darüber hinaus steht Terminologiearbeit an und sprachenmanagement-interne Treffen.

Ganz konkret: wenn ich im Büro bin, arbeite ich von circa acht bis 17 Uhr. Mittags gehen wir zusammen in die Kantine: Übersetzer, Dolmetscher, Terminologen und Auftragsmanager. Wenn ich auf einem Dolmetsch-Einsatz bin dann habe ich oft die PFA dabei, was immer etwas aufwändig ist, und stehe unter Druck, versuche aber genug Pausen, sowie Essen und Trinken einzufordern. Und last, but not least: Genug Schlaf ist wichtig!